Einführung

Die Unterscheidung von Gemeindegut und bäuerlichem Gemeinschaftsgut („Classenvermögen“) war eine zentrale Aufgabe im Grundbuchanlegungsverfahren und wurde deshalb zum Titel dieser Studie gewählt.

Die Grundbuchanlegungsverordnung 1898, eine Verordnung der k.k. Ministerien der Justiz, des Ackerbaues und der Finanzen für die gefürstete Grafschaft Tirol, ist die Vollzugsvorschrift für die in ihrem § 1 zitierten Grundbuchanlegungsgesetze.

Sie beschreibt grundsätzlich zwei Grundgruppen für das Eigentum an den erhobenen Grundbuchskörpern: Gemeindegut und „Classenvermögen“.
  • § 34 Abs. 1:  „Zwischen bloßen Nutzungsrechten am Gemeindegute und Eigentumsrechten ist sorfältig zu unterscheiden“.
  • § 34 Abs. 3:  „Die hinsichtlich gewisser Liegenschaften … bestehenden Eigenthumsgemeinschaften (Classenvermögen) werden sich zumeist als Miteigenthumsverhältnis darstellen, worauf die Bestimmung des § 9 Abs 3 GALG Anwendung findet".
Nach den rechtlichen Grundlagen konnte also das Gemeindegut im Eigentum einer Gemeinde oder eines „Gemeindetheiles“, z.B Fraktionen, stehen. Es ist weder in der Vollzugsvorschrift noch in den Gemeindegesetzen irgend eine Begriffsdefinition für die in der Praxis verschieden bezeichneten Gemeindetheile vorgesehen.

Als zwingende Norm waren jedoch die zwei Durchführungsbestimmungen für die „Eigenthumsgemeinschaften (Classenvermögen)“ im § 34 Abs. 4 und Abs. 6 zu beachten.

Durch diese klare Norm für die grundbücherliche Darstellung des bäuerlichen Miteigentums war auch „gemischtes Eigentum“, bestehend einerseits aus Gemeinde od. Gemeindeteilen und andererseis aus einzelnen, genau bezeichneten Stammsitzliegenschaften möglich.
Hier ein Beispiel, wo sogar die Miteigentumsquote für solche Stammsitzliegenschaften angeführt wurde: >>86016-74>> bzw. >>86016-74a>>

Aus der Vollzugsvorschrift und der damit verbundenen Rechtslage ergaben sich die fünf Grundformen in der grundbücherlichen Darstellung des Eigentums von Liegenschaften mit gemeinschaftlichen Nutzungen. Bei der Grundbuchanlegung wurde dies in den historischen Grundbüchern exakt erfasst:
  1. Gemeindegut im Eigentum einer Gemeinde
  2. Gemeindegut im Eigentum eines „Gemeindetheiles" z. B Fraktion
  3. Klassenvermögen als bäuerliche Miteigentumsgemeinschaft mit Anteilsquoten
  4. Klassenvermögen als bäuerliches Gemeinschaftseigentum "einer juristischen Person" mit zwingender Anführung der berechtigten Stammsitzliegenschaften ohne Quoten
  5. Gemischtes Eigentum bestehend aus Gemeinde oder „Gemeindetheilen“ und zusätzlich angeführten einzelnen Stammsitzliegenschafte
Durch die Regulierungstätigkeit der Behörden und die darauf aufsetzende schrittweise Änderungen der gesetzlichen Lage[1] wurden drei zusätzliche Gruppen gebildet:
  1. Agrargemeinschaften auf Gemeindegut deren Regulierungsgebiet im bücherlichen Eigentum einer Gemeinde verblieb
  2. Agrargemeinschaften auf Gemeindegut, dessen Eigentum  als Ergebnis von gesetzwidrigen Regulierungen heute atypischerweise im Eigentum von Agrargemeinschaften steht – Gemeindegutsagrargemeinschaften
  3. Agrargemeinschaften mit festgestelltem Eigentum am Regulierungsgebiet, das entweder aus Gemeindegut oder aus Klassenvermögen stammt
Die dadurch von fünf auf acht erweiterten Eigentumsgruppen des aktuellen  Bestandes können rechnerisch mit den fünf Eigentumsgruppen der Grundbuchsanlegung verglichen werden, da der rechnerische Bestand der drei neuen Gruppen, die es zum Zeitpunkt der Grundbuchanlegung noch nicht gab, für den Zeitpunkt der Grundbuchanlegung mit Null angesetzt werden muss..
Zur Herstellung der Vergleichbarkeit war es notwendig, einheitliche Kriterien[2] für den aktuellen Stand der Eigentumsverhältnisse einerseits und für den Stand bei Grundbuchanlegung andererseits festzulegen.
Dies ist in der vorliegenden Vergleichsstudie erfolgt.

Die Vergleichsstudie ist die erste umfassende und öffentlich zugängliche Bestandsaufnahme zu Gemeindegut und bäuerlichen Gemeinschaftseigentum in Tirol. Sie vergleicht rechnerisch die aktuellen Bestände der Einlagezahlen und Eigentumseinheiten je Gemeinde mit dem Stand zum Zeitpunkt der Grundbuchanlegung.

Die Datenbestände der einzelnen Eigentumseinheiten wurden aus dem aktuellen digitalen Grundbuch und aus den historischen Hauptbüchern bei den jeweiligen Grundbuchgerichten erhoben. Zur Illustration siehe das obige Beispiel.

In den Gemeindeblättern der Excel-Mappen ist jede Einlagezahl des Untersuchungsgebietes mit den aktuellen Basisdaten (Fläche, Einlagezahl, KG, Eigentumsituation) eingetragen und jeweils mit einer pdf.-Kopie des aktuellen Grundbuchauszuges bzw. mit einer pdf.-Kopie der B-Seite des historischen Hauptbuches verlinkt.

Die  Studie liegt einerseits in der Download-Vollversion mit mehreren Excel-Mappen, sowie allen verlinkten Grundbuch-Dokumenten und andererseits in reduzierter Form auf dieser website vor.

Der Umfang der Daten und die Fülle der Auswertungen erfordert hier eine anwenderfreundliche Beschränkungen in der Darstellung.
Daher wurde der Schwerpunkt auf die Liste der erhobenen aktuellen Grundbuchsauszüge und  historischen Hauptbuchdaten je Einlagezahl und Gemeinde gelegt.
Die kartographische Darstellung der Flächen, eine Übersichtsgraphik und eine Kurzanalyse runden das jeweilige Gemeindebild ab.

Land und Bezirke sind mit Übersichtsgraphiken und Kurzanalyse erfasst. Die Landesübersicht ist mit allen Bezirken und jede Bezirksübersicht mit allen zugehörigen Gemeinden verlinkt.

Die Analysentexte sind noch nicht vollständig und werden im Sinne einer lebenden Homepage laufend eingepflegt. Die Ergänzungen sind im Menüpunkt Nachträge nachvollziehbar.

Die vollständigen Auswertungen in den Excel-Tabellen von Land, Bezirken und Gemeinden mit den vollständigen Grundbuchdaten je Gemeinde sind nur durch den download-komplett abrufbar.

Auf Grund des enormen Datenumfangs ist ein eventueller Zuordnungsfehler nicht gänzlich auszuschließen. Autor und Gemeindeverband sind für jeden diesbezüglichen Hinweis dankbar.




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[1] Die Regulierungstätigkeit der Agrarbehörde war nicht auf die Änderungen abgestimmt. Z.B. wurden bereits Anfang der 50er Jahre Teilwälder reguliert und ins Eigentum von Agrargemeinschaften übertragen, obwohl erst 1969 eine Gesetzesnovelle zum TFLG in Kraft trat, durch die Teilwälder nicht nur im Gemeindeeigentum sondern auch im Eigentum von Agrargemeinschaften stehen konnten. Ähnliches gilt auch für die TFLG Novelle 1952. Die Gesetzesnovellen sind als nachträgliche Rechtfertigung bereits gesetzter Aktivitäten zu sehen.
 
[2] Siehe dazu die Gestaltung der Excel-Tabellen auf Gemeinde-, Bezirks- und Landesebene. Dies ist nur in den download-Versionen mit Tabellen und den zugehörigen Legenden aufrufbar.