Tirol_kommunal_01_2017_WEB - page 36

DER WINTER BIRGT FÜR GEMEINDEN OFT RECHTLICHE PROBLEME
HAFTUNGSFRAGEN IM
WINTERDIENST
W
interdienst in den Alpenre-
gionen stellt den Straßener-
halter nicht nur vor logisti-
sche Probleme, er ist auch häufig mit
rechtlichen Fragen konfrontiert, die
sich nicht immer einfach lösen lassen.
Dadurch, dass keine Straße mit einer
anderen völlig identisch ist, stellt die
Rechtsprechung der Gerichte immer
auf den Einzelfall ab. Dadurch kann
aus dieser Rechtsprechung lediglich
ein Leitfaden an Empfehlungen für
den Winterdienst abgegeben werden
(„Der konkrete Umfang der zu tref-
fenden Maßnahmen hängt immer von
den Umständen des Einzelfalls ab“ =
Spruchpraxis des OGH).
Als Rechtsgrundlagen für die Stra-
ßenerhaltung sind sowohl das ABGB,
das Tiroler Straßengesetz und die Stra-
ßenverkehrsordnung heranzuziehen.
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§ 1319a ABGB regelt die Haftung
des Straßenerhalters für den man-
gelhaften Zustand einer Straße,
wobei die Haftung auf grobe Fahr-
lässigkeit beschränkt ist.
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§ 46 Tiroler Straßengesetz (Erhal-
tung der Straßen) verpflichtet den
Straßenerhalter, die Straße in einem
Zustand zu erhalten, dass diese
unter Bedachtnahme auf die Witte-
rung und die Verkehrsverhältnisse
gefahrlos zu benützen ist.
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§ 93 Straßenverkehrsordnung
(Pflichten der Anrainer) verpflich-
tet jeden Liegenschaftseigentümer,
dessen Grundstück an die Stra-
ße grenzt, den Gehsteig von 6 bis
22 Uhr auf einer Breite von 3 m
geräumt zu halten. Befindet sich
dort kein Gehsteig, ist auf einer
Breite von 1 m geräumt zu halten.
Der Straßenerhalter haftet nach der
zentralen Bestimmung des § 139a
ABGB nur für grobe, nicht aber
für leichte Fahrlässigkeit. Aus die-
ser Bestimmung ist die Einsicht des
Gesetzgebers zu entnehmen, dass der
Straßenerhalter (nicht nur) bei win-
terlichen Verhältnissen nicht immer,
sofort und überall aufgetretene Mängel
beseitigen kann (angefangen von Reif-
über Schnee- und Eisglätte bis hin
zum umgestürzten Baum etc.).
Beurteilungsmaßstab für die Annah-
me des mangelhaften Zustandes eines
Weges (hier gemeint auch Straße!) ist:
Das Verkehrsbedürfnis
und die Zumutbarkeit des
Erhaltungsumfangs hängt ab von
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der Art des Weges,
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dessen Widmung (öffentl. Straße –
Interessentenstraße),
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der geografischen Lage und
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der Natur der Benützung.
Besonderes Augenmerk ist
daher zu richten auf:
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Die Wichtigkeit des Verkehrsweges:
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höhere Anforderungen an die Streu-
pflicht im Ortsgebiet oder auf stark
frequentierten Durchfahrtsstraßen
im Freilandgebiet als auf einer
Zufahrt zu einer kleinen Siedlung
einer Gemeinde
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kleinen Gemeinden ist weniger Auf-
wand zuzumuten als großen.
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Wegabschnitten, die dem Straßen­
erhalter als gefährlich bekannt
sind, ist besonderes Augenmerk zu
schenken:
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durch intensivere Streuung, aber
auch
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durch Kennzeichnung von nicht
erkennbaren Gefahrenstellen z. B.
durch Aufstellen von Gefahrenzei-
chen (§§ 49 und 50 StVO).
Aus Sicht der Rechtssprechung kann nur ein
Leitfaden an Empfehlungen abgegeben werden.
VON DR. DIETMAR TSCHENETT
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